«Elias Betrieb sagt Ja zu Neinsagern»

Wie Elia für seine Interessen einsteht.

Wer seine Stärken und Schwächen kennt, Grenzen setzen und auch mal Nein sagen kann, beugt Stress, Unfällen und Krankheit vor. Voraussetzung dafür ist eine Betriebskultur, in der sorgfältig zwischen den verschiedenen Ansprüchen und Bedürfnissen von Kundschaft und Mitarbeitenden sowie den Anforderungen aus Sicht Betrieb abgewogen wird und Entscheide primär im Hinblick auf langfristige Erfolge und Qualität getroffen werden.

Elia Meier ist Junggärtner bei der Ernst Spalinger AG im zürcherischen Tösstal. Die Arbeit als Gärtner ist vielfältig und beinhaltet meist verschiedene Aufgaben, vom eigentlichen Handwerk über den Austausch mit der Kundschaft bis hin zur Bedienung verschiedener Maschinen. Gerade auf junge Erwerbstätige in der Lehre oder beim Berufseinstieg kommen zahlreiche neue Herausforderungen zu: Ein eng getakteter Zeitplan, die Ansprüche von Kundinnen und Kunden, das Einfinden im Team sowie neue Aufgaben, denen sie sich nicht immer gewachsen fühlen. Umso wichtiger ist es, manchmal Nein zu sagen und Grenzen zu setzen. Elias Betrieb unterstützt ihn dabei.

Von Grenzen und Grenzüberschreitungen

Ein Nein – zu einem Spezialwunsch der Kundschaft, zur Übernahme eines Auftrags vom Vorgesetzten oder sogar zu einem Auftrag insgesamt – ist im ersten Moment oft schwieriger als ein Ja. Weil das Gegenüber enttäuscht oder unzufrieden ist, weil man vermeintlich Schwäche oder mangelnde Kooperationsfähigkeit zeigt, wenn man zugibt, dass man nicht alles kann oder will. Dennoch: Nein-Sagen und Prioritäten setzen ist zentral für das eigene Stressmanagement und vergleichbar mit dem Führen von guten Verhandlungen (siehe Box).

Aus Sicht von Lernenden oder Mitarbeitenden heisst dies: Die eigenen Stärken und Schwächen anzuerkennen, diese richtig zu kommunizieren, sich abzugrenzen und bei Unsicherheit geeignete Strategien anzuwenden (z. B. um Bedenkzeit bitten, mit jemandem reden, verschiedene Alternativen prüfen). Aus Sicht von Vorgesetzen ist es wichtig, die Persönlichkeitsfaktoren der Mitarbeitenden zu kennen und diese richtig einzuschätzen. Ein Nein zu akzeptieren oder Unterstützung zu organisieren, wenn sich jemand mit einer Aufgabe überfordert fühlt. Oder auch den «People-Pleasern» (Personen, die Mühe haben, jemandem etwas abzuschlagen) aufzeigen, wie sie Grenzen ziehen und die eigenen Interessen vertreten können. Aber auch den zur ‘Halte durch’-Parole neigenden Mitarbeitenden vermitteln, auf die eigenen Grenzen zu achten. Und schliesslich gibt es auch Persönlichkeits-Typen, die aus Angst vor Überforderung oder Versagen sich gar nichts Neues zutrauen. Hier gilt es unter Umständen, diese Person für neue Aufgaben zu ermutigen und gleichzeitig eng zu begleiten, damit Erfolgserlebnisse möglich sind.

Grenzen setzen und Grenzüberschreitungen verhindern basiert auf Teamwork und Kommunikationsfähigkeit zwischen Mitarbeitenden und Führungspersonen. Wer weiss, es darf Nein gesagt werden, lernt schneller und besser, mit den eigenen Stärken und Schwächen umzugehen und fühlt sich von seinem Umfeld und dem Betrieb ernst genommen. Dies hilft langfristig sowohl für den Erhalt der Gesundheit der Mitarbeitenden als auch für den guten Ruf des Betriebs, die versprochene Leistung in guter Qualität und fristgerecht liefern zu können.

"Nein sagen heisst Ja sagen zu sich selber" 

Stefanie Philipp, Psychologin und BGM-Beraterin bei AXA WeCare, sagt zum Thema: «In unserer täglichen Arbeit mit KMU und grösseren Unternehmen werden wir oft mit der Frage konfrontiert, in wessen Verantwortung die Gesundheit des einzelnen Mitarbeitenden liegt. Die Antwort darauf: Die Verantwortung liegt auf beiden Seiten, also auf der des Betriebes und natürlich auch bei den Arbeitnehmenden selbst. Als Betrieb hat man die Verantwortung, mit Massnahmen auf präventiver Ebene für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen und damit nicht zu einer zusätzlichen Belastung für Arbeitnehmende zu werden. Auf Seiten der Arbeitnehmenden wiederum bedeutet dies unter anderem, auch mal Neinsagen zu können. Nein sagen heisst Ja sagen zu sich selbst: man ist fürsorglich zu sich selbst und sorgt dafür, seine Energie-Balance im Gleichgewicht zu halten. Dafür sollte man sich seiner Stärken bewusst sein und die eigenen Grenzen kennen. Dies gilt sowohl bezüglich körperlichen als auch mentalen Anforderungen.

Gerade mit der Digitalisierung verschwimmen die Grenzen von Arbeits- und Privatleben zusehends. Man sollte sich deshalb selbst bewusstwerden, wie das eigene, gesunde Boundary-Management aussieht. Ist man eher der Typ, der sich zwischendurch eine Auszeit nimmt und im Gegenzug auch ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten etwas erledigt? Oder ist man eher der Typ, der Arbeit und Privatleben strikt trennen möchte, um im Gleichgewicht zu bleiben? Diese Themen lassen sich sehr gut in Teamworkshops bearbeiten. Dabei können gemeinsam Regelungen aufgestellt, Missverständnisse ab- und Verständnis aufgebaut werden und Lösungen gefunden werden, wie die Teamarbeit so gestaltet werden kann, dass alle Boundary-Typen einen guten Weg finden.

Ein gutes Stressmanagement im Unternehmen wird immer wichtiger. Die AXA KMU-Studie zeigt, dass rund 64 Prozent aller KMU von Ausfällen von Mitarbeitenden aufgrund von psychischen Erkrankungen betroffen sind. Es besteht also Handlungsbedarf. Hier gilt ein besonderes Augenmerk der Früherkennung. Gerade auf Ebene Führungskräfte sehen wir da grosses Potential. Führungskräfte können viel mit ihrem Führungsstil steuern, indem sie einen sogenannten gesundheitsförderlichen Führungsstil praktizieren und mit Mitarbeitenden im Dialog sind sowie ihre Belastungs- und Ressourcen-Situation kennen. Ein guter Anfang, um sich der aktuellen Situation im Betrieb klar zu werden, bietet unser Arbeitsklima-Kompass mit verschiedenen Befragungen, die sich auf die betriebliche Gesundheit auf Gesamtebene des Unternehmens oder auch auf einzelne Teams oder Abteilungen beziehen. Die Auswertung ergibt ein Bild des aktuellen Belastungs- und Ressourcenverhältnisses. 

Basis eines guten Stressmanagement ist die Betriebskultur. Ist gegenseitiges Vertrauen da? Funktioniert die Kommunikation? Stimmt das Verhältnis nicht, können bei auftretenden Problemen auch Drittpersonen miteinbezogen werden. Wir als Partner übernehmen hier die Funktion als Türöffner. Wir bieten auch Kurse für Führungskräfte zum Thema Früherkennung von psychischen Belastungen sowie Kurse für Mitarbeitende zum Thema Stressmanagement und Resilienz an. Zudem können wir für Einzelpersonen auch eine individuelle Begleitung oder ein Coaching organisieren. Zum Beispiel um noch besser darin zu werden, nein zu sagen.»

 

Stefanie Philipp
Psychologin und BGM-Beraterin
AXA WeCare

 

Die Kunst, positiv nein zu sagen

Bei Arbeitsaufträgen geht es meist nicht nur um ein simples Ja oder Nein bezüglich Annahme und Umsetzung, sondern darum, zu verhandeln, was realistischerweise auf welche Weise möglich ist und was nicht. William Ury, Mitautor des Harvard-Konzepts des sachbezogenen Verhandelns gibt in seinem Buch «Die Kunst, Nein zu sagen" folgende Ratschläge:

 
  • 1. Selbstachtung und klare Grenzen

    Es ist wichtig, sich selbst zu respektieren und klare Grenzen zu setzen. Indem man seine eigenen Bedürfnisse und Grenzen ernst nimmt, kann man selbstbewusst Nein sagen, wenn es nötig ist, ohne sich schuldig zu fühlen oder seine Integrität zu gefährden.

  • 2. Die beste Alternative zu einer vereinbarten Lösung (BATNA – Best Alternative to a Negotiated Agreement):

    Bevor man eine Entscheidung trifft oder eine Vereinbarung eingeht, sollte man sich bewusst sein, welche Alternativen zur Verfügung stehen. Durch die Analyse der BATNA kann man besser abschätzen, ob eine vorgeschlagene Vereinbarung akzeptabel ist oder ob es besser wäre, Nein zu sagen und nach alternativen Lösungen zu suchen.

  • 3. Diplomatisches Nein sagen

    Nein zu sagen bedeutet nicht zwangsläufig, eine Beziehung zu beenden oder Konflikte zu provozieren. Es ist möglich, Nein zu sagen, während man gleichzeitig respektvoll und einfühlsam bleibt. Dies ermöglicht es, die Beziehung und gleichzeitig die eigenen Interessen zu wahren. Beispielsweise folgendermassen: "Ich schätze dein Vertrauen in meine Fähigkeiten, und ich verstehe, dass dieses Projekt wichtig ist. Allerdings bin ich bereits vollständig in andere Projekte involviert, die meine volle Aufmerksamkeit erfordern. Ich möchte sicherstellen, dass ich meine aktuellen Verpflichtungen erfolgreich erfülle. Vielleicht können wir gemeinsam überlegen, wie wir das Projekt angehen können, um sicherzustellen, dass es erfolgreich abgeschlossen wird, auch wenn ich nicht direkt daran beteiligt bin?"

  • 4. Emotionale Intelligenz in Verhandlungen

    Die Fähigkeit, die Emotionen anderer zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren, ist entscheidend für erfolgreiche Verhandlungen. Indem man empathisch ist und die Perspektive der anderen Partei versteht, kann man effektiver kommunizieren und Konflikte lösen.

  • 5. Kreative Lösungen suchen

    Statt einfach Nein zu sagen, sollte man nach kreativen Lösungen suchen, die für alle Beteiligten akzeptabel sind. Dies erfordert die Bereitschaft, flexibel zu sein und offen für neue Ideen und Perspektiven zu sein. Durch kreative Problemlösung kann man oft Win-Win-Situationen schaffen, die sowohl die eigenen Interessen als auch die der anderen Partei berücksichtigen.

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